Kaufst Du noch oder nähst Du schon?
Jetzt packe ich meinen lange gehegten Vorsatz an!
Als Teenager habe ich mich Mittwoch-Nachmittage-weise in der Stadt in den Kaufhäusern rumgetrieben und alles Taschengeld, das ich mir verdient hatte, für Kleidung ausgegeben. Natürlich kamen für mein bescheidenes Budget nur Billigmarken in Frage. Ich war keine besonders kritische Konsumentin und machte mir nicht viele Gedanken. Woran ich mich jedoch noch ganz genau erinnere ist dass ich dachte, die Kleidung würde komplett von gesteuerten Maschinen genäht. Anders konnte ich mir die billigen Preise und die grosse Anzahl an Kleidung in den Läden nicht erklären. Als ich erfuhr, dass die Kleidung von Menschen an Maschinen genäht wurde, kam mir das erste Mal die leise Vermutung, dass da etwas nicht mit richtigen Dingen zu und her gehen kann. Seit dieser Erkenntnis ist viel Zeit vergangen. Aber das ungute Gefühl im Bauch, wenn ich für mich Kleidung kaufe, ist geblieben.
Schon seit etwa zwei Jahren spreche ich davon, dass ich für mich keine Kleidung mehr kaufen, sondern alles selbst nähen möchte. Es ist doch unsinnig, wenn ich meine Fähigkeit zu nähen nicht auch für mich nutze! Es ist, als würde ich meine Superkraft im Kampf gegen Ausnutzung und Umweltverschmutzung einfach nicht nutzen.
Ich könnte jetzt hier schreiben, dass ich einfach keine Zeit hatte, dass es ein meeega hektisches Jahr war und dass es imfall noch schwierig ist, den passenden Schnitt zu finden. Aber wenn ich ganz ehrlich bin muss ich sagen, dass ich einen heiden Respekt davor habe.
Mich auszumessen, mich zu benähen und dann auch noch Fotos von mir ins Netz zu stellen, das braucht eine rechte Portion Mut, da ich mit meinen Rundungen nicht wirklich zufrieden bin. Der wahre Grund liegt also bei mir selbst.
Kurz vor Jahresende hat es mich wahnsinnig genervt, dass ich meinen Vorsatz bis jetzt nicht in die Tat umgesetzt habe. Ich habe mir etwas von meinem momentanen Lieblings-Jacquard geholt und mir daraus eine Hagebutte von Firlefanz genäht.
Die Bilder sind bei einem unserer langen Strandspaziergänge in Italien entstanden. Und weisst Du was? Ich habe unglaublich Freude daran.
Denn auch wenn ich keine perfekten Masse habe, so habe ich dieses Kleid aus GOTS Stoffen genäht. Es wurde unter fairen und nachhaltigen Bedingungen produziert und niemand musste dafür für einen Hungerlohn arbeiten.
Ganz ehrlich - diese Tatsache erfüllt mich mit weitaus mehr Stolz als wenn ich hier mit einer Bikinifigur in einem gekauften Kleid stehen würde.
Ich habe mich also entschieden: im Jahr 2020 (und hoffentlich in all den Jahren danach) werde ich für mich selbst keine Kleidung mehr kaufen, sondern mich selbst benähen. Denn es wäre doch schade, wenn meine Superkraft weiterhin ungenutzt bliebe. Wie steht es um Deine Superkraft?